Interview - Lebensmitteltechnologe Prof. Michael Kleinert

Erforschung von Urgetreide

Prof. Michael Kleinert ist Lebensmitteltechnologe und Leiter des Instituts für Lebensmittel- und Getränkeinnovation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Seit vielen Jahren forscht er zum Thema Brot und teilt sein Wissen als Dozent. Wir haben mit ihm über die Erforschung von Urgetreide gesprochen.

Initiative Urgetreide: Herr Prof. Kleinert, welche Vorteile haben Urgetreide gegenüber den heutzutage marktbestimmenden Sorten?

Prof. Michael Kleinert: Das ist natürlich von Sorte zu Sorte verschieden. Lassen Sie mich das einmal am Beispiel Emmer erklären: Durch den Spelz ist Emmer im Vergleich zum Weichweizen resistenter gegenüber Krankheiten. Mit seiner anspruchslosen Art kann Emmer auch in Randgebieten mit nährstoffarmen Böden wachsen. Der Proteingehalt beim Emmer ist höher als beim Weichweizen.

Eine Herausforderung ist allerdings die Zusammensetzung der Kleberproteine. Der Anteil an Gliadin ist höher als der Anteil an Glutenin, welche für eine gute Backfähigkeit verantwortlich sind. Mit handwerklichem Können und Anpassungen in der Herstellung, wie mittels der Verwendung eines Vorteiges und Quell- oder Brühstückes, Teigtemperatur-Reduktion und Verringerung der Knetenergie, können aber qualitativ hochwertige Brote hergestellt werden.

Zudem hat Emmer beispielsweise  im Vergleich zum Weichweizen den deutlich höheren Selengehalt, durch diesen und den erhöhten Carotinoidgehalt ist die Urgetreideart ernährungsphysiologisch sehr interessant.

Initiative Urgetreide: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der weiteren Verbreitung von Urgetreide?

Prof. Michael Kleinert: Um die Nachfrage nach Urgetreidebroten noch weiter steigern zu können, müssen sie richtig vermarktet werden. Die Geschichte rund um das Urgetreide kann dabei helfen, Urgetreide für Verbraucher noch attraktiver zu machen. Schließlich blicken alte Sorten wie Einkorn, Emmer oder Khorasan auf eine lange Geschichte und Tradition zurück und sie sind auch deshalb etwas Besonderes. Diese lange Tradition in Verbindung mit der Exklusivität der Urgetreide sollte in den Fokus der Kommunikation gestellt werden.

Initiative Urgetreide: Was reizt Sie besonders an Urgetreide?

Prof. Michael Kleinert: Urgetreide erweitern das Geschmackserlebnis Brot um reizvolle Nuancen und sie sind aus dem Kulturschatz der Getreidewelt heute nicht mehr wegzudenken. Mehr noch: Die Auseinandersetzung der Verbraucher mit Herkunft und Geschichte der Getreide trägt zu einer höheren Wertschätzung des Lebensmittels Brot bei und macht es im wahrsten Sinne des Wortes "wertvoller".

Initiative Urgetreide: Haben Sie ein Lieblingsprodukt aus Urgetreide?

Prof. Michael Kleinert: Ja, eines meiner aktuellen Lieblingsbrote ist das Emmer-Apfel-Vollkornbrot von der Bäckerei und Konditorei Kreyenbühl in schweizerischen Muri (www.genuss-handwerk.ch). Es wird u. a. mit Emmer-Vollkornmehl, gedörrten Apfelringen, Apfelmus und Birnensaft hergestellt. Die saftigen Apfelringe ergänzen sich perfekt mit dem leicht nussigen Aroma von Emmermehl. Der Birnensaft sorgt für eine leicht süßliche Karamellnote. Wirklich ein Hochgenuss!

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